Die Mutter ist der Mittelpunkt, der Fixstern. Die Mutter heißt Maria, ist Mitte Fünfzig und Bäuerin im Flachgau. Großfamilie mit Mann, Kindern, Schwiegerkindern, Enkeln, Buben und Mädeln. Und Tieren, Kühen, Hühnern, Hund und Katze und so. Alles läuft wie am Schnürchen, die Arbeit geht gut von der Hand, punkt 18 Uhr wird gemolken - das Leben am Hof läuft nach Plan und von Herzen.
Der Vater hat das Tagwerk im Griff, die Mutter ist die Person, um die sich alles dreht. Auch jetzt, als sie ins Hospiz kommt, unheilbar krank.
Die Mutter, soviel steht fest, gehört nicht an den Rand, die Mutter muss ins Zentrum wie zuhause. Und so rücken die Kinder das Krankenbett der Mutter einfach in die Mitte des Zimmers und stellen die Besucherstühle rund um das Bett.
Der Mann und die Kinder sind jede freie Minute da und erzählen von der Arbeit und vom Tagwerk zuhause am Hof. Und die Enkel tollen ums Bett herum und unter dem Bett hindurch. Es herrscht Leben wie immer, die Familie ist beisammen und die Mutter mitten unter ihnen. Dann kommt noch ein Enkelkind zur Welt. Man legt das Baby der sterbenden Frau ins Bett, auf die Kissen, Wange an Wange. Erste, letzte Berührungen. Einer kommt, einer geht, so ist das Leben.
Die Familie sitzt rund um das Bett, als die Mutter eines Nachmittags, ruhig und entspannt, verstirbt. Die Familie sitzt um das Bett der toten, schön hergerichteten Mutter. Die Familie bleibt sitzen, jetzt ist Zeit zum Jausnen, das war immer so, früher, daheim am Bauernhof. Warum sollte es jetzt, hier im Sterbezimmer, anders sein. Man spricht ein Gebet, und dann wird zum Brot gegriffen, zum Speck, zum Bier, zum Saft, wie daheim. Es ist alles so wie immer, und die Mutter gehört dazu, auch wenn sie jetzt tot ist. Man bleibt sitzen und möchte für immer sitzenbleiben.
Nur die Kühe daheim im Stall sind irritiert. Der erste Tag, an dem sie nicht gemolken werden punkt 18 Uhr, so wie immer, so wie zu Mutters Zeiten...
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